Immer wieder, wenn ich Freunden und Bekannten erstmalig mit dem Teleskop den Himmel zeigen darf, kommt irgendwann der schwärmerische Satz: „Und das faszinierende ist, daß das alles schon seit tausenden von Jahren genau so aussieht! Schon die alten Ägypter haben auf genau den gleichen Himmel gesehen wie wir jetzt!“
Ich schaue dann immer in erstaunte Gesichter, wenn ich dem vehement widerspreche: Viele Sterne verändern im Laufe der Jahrtausende Ihre Position, Bewegungshaufen ziehen gemeinsam über das Firmament, die Erdachse pendelt, die Planeten ziehen über den Himmel, Kometen kommen und gehen, viele für immer. Asteroiden ziehen vorbei, Doppelsterne umkreisen sich und verändern Ihre Position zueinander. Ja und der Krebsnebel M1, den gibt es sogar noch nicht einmal seit 1000 Jahren an unserem Himmel zu sehen! Es gibt noch unzählige Dinge mehr, die am Himmel einem ständigen Wandel unterworfen sind, die entstehen, vergehen, sich verändern. Ja, man stellt fest, dass da oben so einiges los ist, wenn man mal genauer hinschaut, sage ich dann gerne, und stelle immer wieder fest, wie sehr mich genau das fasziniert.
So dauert es nicht lange, bis man beim Thema „veränderliche Sterne“ angelangt ist. Sterne, die über mehr oder weniger kurze oder lange Zeiträume Ihre Helligkeit verändern. Die Gründe für dieses Verhalten sind mannigfaltig. Oft handelt es sich um „Bedeckungsveränderliche“, bei dem sich in einem Doppel- oder Mehrfachsystem Komponenten unterschiedlicher Helligkeiten bei ihrer gegenseitigen Umkreisung bedecken. Bei anderen Sternen sind es (zumeist) periodische physikalische Vorgänge im Stern selbst, die deren Helligkeit schwanken lassen.
Mein erster Veränderlicher den ich beobachtet habe war „Algol“, der „Teufelsstern“ im Perseus, ein Bedeckungsveränderlicher mit einer Periode von 2,87 Tagen. Das faszinierte mich so, dass ich einmal ein längeres, größer angelegtes Beobachtungsprojekt angehen wollte. Ein hierfür geeigneter Kandidat war, auch angeregt durch einen Bericht in der „Sterne und Weltraum“ von Oktober 2017, schnell gefunden: Mira, „Die Wundersame“! Mit einer Periode von grob 334 Tagen, dafür aber einer Schwankung zwischen 3,3 und 9,3 mag ist Mira („omicron-Ceti“) im Walfisch ein für den Einstieg lohnendes und geeignetes Ziel. Mira ist ein Pulsationsveränderlicher der als Prototyp von veränderlichen roten Riesen mit einer Periode von 80 – 1000 Tagen gilt: den „Mira-Sternen“. Besonders reizvoll fand ich, dass die Periode bei Mirasternen nie gleich ist, und immer voller Überraschungen im Verlauf sein kann.
Also fing ich am 29.09.2017 an und richtete von meiner „Dachsternwarte“ (Dachflächenfenster Richtung Osten im Büro meiner Frau) meinen geliebten Skywatcher ED80 auf den Walfisch und suchte erstmalig o-Ceti. Und suchte, und suchte… Das hatte ich mir leichter vorgestellt. Nachdem ich mit Hilfe von Stellarium und weiterem Kartenmaterial per Starhopping irgendwann Mira im Okular hatte konnte ich es nicht glauben, dass dieser kleine Mini-Lichtpunkt einmal mit bloßem Auge zu sehen sein sollte! Vergleichssterne zu finden war gar nicht so einfach, immer wieder verlor ich dabei Mira selbst und musste mich mühsam zurückhangeln. Aber irgendwann konnte ich mittels eines helleren und eines dunkleren Vergleichssternes, ziemlich sicher Mira zu 9.3 mag bestimmen. Stolz notierte ich meinen ersten Wert!
In den folgenden Wochen nutze ich jede Gelegenheit um neue Messwerte zu nehmen. Das waren leider nicht viele in diesem Winter aber genug um in Excel eine Tabelle anzulegen und mit deren Hilfe eine aussagekräftige Lichtkurve zu generieren. Bis Anfang November stieg die Lichtkurve nur sehr langsam auf ca. 8,5 mag, aber ab Mitte November schoss sie jedoch plötzlich in die Höhe und es wurde zunehmend schwerer im begrenzten Feld meines ED80/600 oder meines 12“ f5.3 Dobs Vergleichssterne zu finden. So stieg ich um auf mein 10×50 Fernglas, später sogar auf das 2×56 Milchstraßenfernglas von Martin mit einem Feld von ca. 30-35 Grad. Mittlerweile zeigte sich Mira auch in ihrer wunderschönen orangeroten Farbe! Beim ermitteln der Werte suchte ich möglichst immer nach helleren und dunkleren Vergleichssternen und versuchte abzuschätzen, wo dazwischen Mira sich wohl gerade befindet. Die Helligkeiten der Vergleichssterne ermittelte ich aus den angegebenen Magnituden der App „Sky Safari“.
Mittlerweile, nach bald 5 Monaten der kontinuierlichen Beobachtung, ist das Maximum, das ich für um den Jahreswechsel bei ca. 3,3 mag gemessen habe, überschritten, und die Werte haben sich bei ca. 3.5 mag eingependelt. Nun warte ich darauf, dass die Lichtkurve weiter fällt. Hier überrascht Mira jedoch wieder einmal! Mitte Januar fing ich an, an meinen Werten zu zweifeln, denn in den letzten Jahren sank die Helligkeit nach dem Maximum immer recht schnell wieder, und ich fing an, aktuelle Werte zu recherchieren. Aber auch die Lichtkurven, die man sich auf den Seiten der AAVSO (American Association of Variable Star Observers) ausgeben lassen kann und die Messwerte der Teilnehmer dort bestätigen meine Beobachtung, dass Mira in dieser Periode ein ausgeprägt längeres Maximum hat als sonst! Dieses Jahr lässt sich o-Ceti Zeit und scheint uns ein wenig länger hell leuchten zu wollen!
Für mich als visuellen Beobachter ist dieses Projekt äußerst spannend und Mira sicher nicht der letzte Veränderliche, den ich begleiten werde! Schön finde ich zudem, dass man hier auch unter eher schlechteren Bedingungen zu Ergebnissen kommt. Das Seeing oder die Transparenz und auch die Lichtverschmutzung spielen keine so große Rolle, denn hier werden die Messwerte sowohl von Ziel- als auch Vergleichstern gleichermaßen verändert. Lediglich bei Cirren oder bei anderen ähnlichen Bewölkungsarten ist Vorsicht geboten, denn hier führt inhomogene Transparenz der Wolken schnell zu einer unterschiedlichen Beeinflussung der Helligkeit von Ziel- und Vergleichssternen.
Mittlerweile ist Mira am westlichen Abendhimmel angekommen und bald wird sie mit der Abendsonne untergehen und nicht mehr beobachtbar sein. Dann ist mein Projekt beendet und ich freue mich schon auf das nächste!
Mehr Informationen zum Thema veränderliche Sterne finde man auf den Seiten der „Bundesdeutsche Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne e.V. (BAV)“ oder auf den Seiten der American Association of Variable Star Observers (AAVSO).
Und zu guter Letzt noch 2 Zeichnungen. Eine vom Beginn des Projektes und eine nahe am Maximum. (Achtung, das Bild vom 29.09. ist mit Refraktor und Zenith-Spiegel entstanden, das Bild vom 28.12. mit meinem 12″ Dob, daher ist die Orientierung zueinander horizontal gespiegelt.). Beide Zeichnungen entstanden bei ähnlichem Feld und Vergrößerung von 60x bzw. 50x und 1,2 bzw. 1,4 Grad
Hallo Ramond,
ein schönes Projekt hast Du Dir da ausgesucht. Das erinnert mich daran, dass ich mich als Schüler an Rho Persei versucht habe. Das war als Anfängerprojekt wohl etwas zu ambitioniert und ich habs hingeschmissen. Ich glaube, ich habe nicht mal mehr die Unterlagen dazu.
Du hast meinen grösten Respekt für Deine Ausdauer.
Gruß Micha