Beobachtungsbericht vom Samstag, den 24. Februar 2018

Akribische Vorplanung

Als ich am frühen Abend mit der Baumsäge durch den Garten wütete, ging mein Blick zufällig auch mal gen Himmel. Huch…: strahlend dunkles Blau, kalter Ostwind, hochstehend zunehmender Halbmond und Wochenende. „Besser als a Gosch voll Reißnägel…“ ging mir so durch den Kopf. Ich beschloss kurzerhand, die Säge in den Feierabend zu schicken und den 14er in den Garten zu schieben.

„Papa, woll‘n wir Pferd spielen?!“ Kam es plötzlich von der Seite.

„Ja, aber erst gucken wir beide den Mond an. Schau mal, da oben“. Meine Große hörte aber wohl nur das „Ja“ und begann augenblicklich damit, ein Seil um mich zu binden. Unter Einsatz all meiner rhetorischen und körperlichen Fähigkeiten gelang es mir dann doch, meinem Vorhaben eine gewisse Priorität zu geben.

So, schnell noch das 30er ES, die Stehleiter, Ausrichten, Fokussieren und: „Jetzt komm Schatz, vorschichtig hochklettern, Papa hält dich fest“.

Mit einem „Oh, ganz viele Löcher“ war die Beobachtung dann auch schon vorbei und der Papa wurde galoppierend in die fortschreitende Dämmerung longiert. Da die Nachbarn zu alt sind, um lustig alberne Filmchen auf Youtube hochzuladen, existieren wohl hoffentlich keine Beweise dafür. Es gingen so (gefühlt) mehrere Stunden ins Land bis der erlösende „Vesper“ Ruf aus dem Fenster kam. Quasi im Vorbeigehen gabs noch einen kurzen Blick auf die Venus, die knapp über den Baumwipfeln thronte.

Nach dem die Rasselbande endlich den Matratzenhorchdienst angetreten hatte, beichtete ich meiner Frau, dass ich vorhin, natürlich ohne jegliche Hintergedanken, vergessen hatte, den Dob wieder in die Werkstatt zu bugsieren. Das muss unbedingt gleich noch, vor dem gemeinsamen Fernsehabend, erledigt werden.

Sie: „Und dazu musst du jetzt so panisch die dicken Wintersachen anziehen?“

Ich: „Ähm, ja…ich muss noch ganz kurz… äähh… die Okular-Blenden-Durchlass-Justageschraube…
äähhh…..“

Sie: „Na dann Gute Nacht, bis morgen“.

Die Hardware

Gerät:
  • 14,5“ f5,5; Baader Großfeldbinoansatz mit 1,7-Newton-GW
Übersichts-Okular:
  • 30mm ES (68-fach)
Okularpaare fürs Bino:
  • 24mm Panoptic (144-fach, mit Streulichtschutz-Augenmuschel von Baader)
  • 18mm Flattfield (192-fach, mit Streulichtschutz-Augenmuschel von Baader)
  • 12mm Pentax (288-fach)
Objekt:
  • Mond zunehmend, zweites Viertel (65%, ca. 8 Tage, Höhe: ca. 50°)

Beobachtungsdurchführung

Ein erster Blick in den Nachthimmel bringt Ernüchterung. Die Aussicht auf ausgezeichnetes Seeing und hervorragende Transparenz will sich augenscheinlich nicht bestätigen. Die Sterne glitzerten in allen Farben noch weit über 45° Höhe hinaus. Naja, wenn wir schon mal draußen sind…

Es herrscht ein böiger kalter Wind, der mich aber (noch) nicht stört. Der Dob steht, nach Osten durch Haus und Wintergarten geschützt, sehr stabil auf dem gefrorenen Rasen. Das Thermometer an der Wand zeigt -4°C. Eingemummelt in meine Jacke weiß ich es aber besser. Es müssen mindestens -10°C sein.

Der Blick durch das 30er gen Mond zeigt ein klares scharfes Bild, welches von langsamen wellenförmigen Bewegungen durchzogen wird. Das habe ich so noch nie bewusst erlebt bzw. wahrgenommen. Das Thermometer ist eindeutig zu träge, um die -25°C korrekt anzuzeigen.

Mit Bino und 24er Panos (144x) stechen mir sofort „E“ und „F“ beim Orion-Trapez ins Auge. Wieder mit langsamen Wellenbewegungen, aber ohne nennenswerten Schärfeverlust. Am Mond das Gleiche Phänomen. Meine Erwartungen steigen etwas. -46°C

Ich setze die 18er (192x) ein und gehe direkt auf Plato, am nördlichen Rand des Mare Imbrium. Er hat etwa 100km Durchmesser und dient mir so als Referenz, was das Einschätzen von Größenordnungen angeht. Dann fahre den Randbereich der Beleuchteten Mondseite ab und schätze anhand der Silhouette die Höhen der Berge und Krater. Sie scheinen beachtlich, zum Teil deutlich mehr als 10km hoch. Es hat jetzt -87,5°C auf der zweiten Leiterstufe.

Beim Abfahren des Terminators fallen mir die langen Kraterketten zwischen Eratosthenes und Copernicus ins Auge. Ich beschließe, nach weiteren Vertretern Ausschau zu halten und so finden sich bald die zwei 12mm Pentax XF (288x) im Bino wieder. Die Temperatur fällt auf -134°C und mich fröstelt ein wenig

An einer kleinen gebogenen Kette, die südlich an Beer B anschließt, bleibe ich hängen. Wie eine kleine gleichmäßige Perlenschnur zieht sich ein Bogen nach Süden aus dem Krater heraus. Später werde ich etwas recherchieren und feststellen, dass die großen „Perlen“ ca. 1,2km Durchmesser haben. Ich mache eine Pause und fuchtle mit den Armen umher, damit die -189°C meine Gelenke nicht so steif machen.

Irgendwann reift in mir die Schnapsidee, darüber auch noch zu berichten. Logisch mit Bildern. Also Handy gezückt und damit vor einem der Okular herumgewurstelt. Mit den blanken Fingern spüre ich genau die -253,5°C.

Auf meiner weiteren Reise merke ich, dass die beleuchteten Bergspitzen im dunklen Bereich, welche mir beim vorherigen Wandern nicht entgangen sind, in Zahl und Größe zugenommen haben. Besonders das Schattenspiel in Longomontanus F mit dem beleuchteten Zentralberg fällt dabei auf.

Mist, schon wieder so spät. Ich überlege noch, ob ich doch noch die 10mm Orthos suchen gehe, da spüre ich es plötzlich ganz deutlich: genau -273,15 °C. Ende Gelände. Beim Aufräumen, so im Vorbeilaufen sehe ich noch, dass mein Thermometer bereits bei -11°C eingefroren ist. Gelumpe, liedrieges denke ich und schleppe mich mit letzter Kraft ins Haus.

Auswertung

Meine Frau war noch wach und machte sich sogleich über meine rote Nase lustig. Bei einer Tasse Tee wollte sie aber dann doch wissen, warum das mit der Okular-Blenden-Durchlass-Justageschraube so lange gedauert hat.

Meine Erklärung wurde anschießend jedoch mit der Bemerkung kommentiert, dass ich gerade mal zwei Stunden draußen war und mein Vergleich mit Herrn Amundsen doch ziemlich hinkt. Außerdem sei das Rascheln im Gebüsch mit Sicherheit kein Eisbär gewesen und das Thermometer ebenso wenig eingefroren, wie der Stickstoff in irgendwelchen Okularen.

Naja, vielleicht war es dann doch zwei oder drei Grad wärmer draußen…

Frostige Grüße
Dennis